IV - ARPEGGIATA 

Musik für 2 Theorben

Andreas Düker & Tobias Hecker - Theorbe

Konzertkritik

 

Länger, tiefer, lauter

 

 

20. September 2016

 

geschrieben von Bjørn Steinhoff

 

 

 

SAITENWECHSEL – Musik im Parthenon-Saal: Zwei Theorben und eine Reise durch die Zeit

 

 

 

Länger, tiefer, lauter – das hat weder die Autotuningszene noch der Rapper „Das Bo“ erfunden. Findige Köpfe kamen bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf diese Idee, als die damals „neue Musik“ der Monodie nach Instrumenten mit tiefem Bassregister zwecks Generalbassbegleitung verlangte. Rasch fügte man einer Laute einen verlängerten Hals samt zweitem Wirbelkasten, welcher die langen Saiten für den Bass aufnimmt, hinzu - fertig ist: die Theorbe. Wenngleich sie sich hinsichtlich der Stimmung von einer Laute unterscheidet.

 

 

 

Welche Klangpracht und –fülle lässt sich damit entfalten? Dies zu demonstrieren, treten Andreas Düker und Tobias Hecker an diesem Sonntagnachmittag im Parthenon-Saal des Archäologischen Instituts am Nikolausberger Weg mit zwei Theorben an. Die Reihen beim IV. Konzert des zweiten Jahrganges der „Saitenwechsel-Konzertreihe“ sind, trotz der warmen Herbstsonne, recht ansehnlich gefüllt.

 

 

 

Anhand von sechs Komponisten bewegt sich das Programm durch die Zukunft der Vergangenheit. J.H. Kapsberger (*c1580) und D. Scarlatti (gestorben 1757) markieren Start- und Endpunkt der stilistischen Reise. Im Rückblick gliedert sich diese recht deutlich in drei Zweigruppen.

 

 

 

Robert de Visée (*c1660) und Giovanni Pittoni (*c1630) bilden mit ihren ihrem Prelude/Chaconne bzw. der Sonata IX den (früh-) barocken Mittelteil der Zeitreise. Wieviel – für an Bach, Händel, Vivaldi gewöhnte Ohren – vertrauter klingt das Prelude des Versailler „Königlichen Gitarrenlehrers“ als die Werke aus der zuvor gespielten ersten Gruppe. Hier ist harmonisch und melodisch, mit dem Vorkommen der Hoftänze Corrente/Sarabande/Gigue (obwohl die heute niemand mehr tanzt) alles im bekannten Rahmen.

 

 

 

Die erste Gruppe – mit Johannes Hieronymus Kapsberger (c1580-1651) und Alessandro Piccinini (1566-1638) – hat uns gleichwohl nachhaltiger beeindruckt und gefallen. Piccininis Toccata Cromatica hangelt sich, wie der Name vermuten lässt, recht unbekümmert um die Regeln der Satzkunst durch den Wald der Tonarten. Und Tonarten heißt hier: Dem vertrauten Dur/Moll sind die, historisch älteren, Kirchentonarten samt ihren formelhaften Klauseln und Kadenzen beigemischt; wie es um diese Zeit üblich war. Für heutige Ohren ergibt sich so manch zauberhaft-frische Wendung. Mit der Folia aria Romanesca und einer Ciaconna, ebenfalls aus Piccininis Feder, werden gleich zwei Form-Klassiker der damaligen Zeit präsentiert. Variationen über ein sich ständig wiederholendes Harmonieschema (mit konstanter Länge) und sich beharrlich wiederholender Bassfigur - die Idee ist einfach genug. Doch welche Spielfreude entfachen die Herrn Düker und Hecker! Die Anschlusstöne der ostinato-Figur springen lustig zwischen den Instrumenten hin und her. Aus einer in sich gekehrten Variation dreht die Stimmung urplötzlich ins Überdreht-Heitere, schrammeln sei Dank. Ab und an wackelt das Metrum zwischen den beiden Spielern unmerklich, wenn eine vertrackte Melodieumspielung über den simplen, mitreißenden Dreiertakt gelegt wird. Sekunden später lassen perfekt gleichzeitig gezupfte Parallelen einen daran nicht mehr denken.

 

 

 

Das grandiose Finale der Ciaconna überzeugt wohl jeden im Saal. Mit allerlei Effekten, wie gesperrten Saiten und Flageoletts, lässt es jede Rockgitarrensession alt aussehen.

 

 

 

Bereits Kapsbergers Canario, nach einem Tanz von den Kanaren?, überrascht zuvor durch den Einsatz einer Theorbe als Schlaginstrument. Die Rhythmusbegleitung wird durch Klopfen auf den Korpus „erledigt“. Kein simples Eins-Zwo-Drei, sondern die beiden Herren zaubern allerlei muntere, mitreißende Muster auf die Holzdecke und –seiten. Die drei Werke zuvor führen pointensicher auf diesen Höhepunkt hin.

 

 

 

Die dritte Gruppe mit D. Scarlatti und J.S. Bach fällt daran gemessen ein wenig zurück. Die Scarlatti-Sonate K 91 in G-Dur vom Cembalo auf eine Theorbe, linke Hand des Cembalospielers, und eine kleinere (d.i. höhere Tonlage) Erzlaute, für die rechte Hand, zu übertragen ist eine gute Idee. Leider geht in den beiden schnellen Allegro-Sätzen Spritzigkeit – und damit ein Gutteil des Reizes der Sonate - verloren, da es den beiden Instrumentalisten nicht hinreichend gelingt, wie ein Instrument, nur verteilt auf zwei Personen, zu spielen. In den langsamen Sätzen Nr. 1 und 3 lösen die Herren es ungleich besser.

 

 

 

J.S. Bach hat aus den Werken für Violine und Violoncello solo selbst einiges für Laute gesetzt. Die Künstler folgen ihm darin, die ersten drei Sätze der G-Dur-Suite für Cello solo (BWV 1007) für Theorbe/Erzlaute arrangierend. Wirklich glücklich stimmt diese Lösung nicht: Allemande und Courante sind zumeist tadellos gespielt; allein dem Prelude fehlen Ruhe und zugleich ein Zug nach vorn. Des Weiteren führt das Hinzufügen von Akkorden/Tönen, um zwei Instrumente zu bedienen, aus unserer Sicht in die Irre. Ist Bachs Idee bei den Cellosuiten nicht gerade, Mehrstimmigkeit durch Einstimmigkeit zu erzielen? Erzählt die Melodielinie über ihre harmonische Einbettung nicht bereits genug?

 

 

 

Als Zugabe noch einmal Kapsberger mit seiner Toccata Arpeggiata. Das konzerttitelgebende Beiwort Arpeggiata bedeutet einfach ein festes Griffschema der linken Hand auf dem Griffbrett. Diese instrumententypische Technik bereitet nun den Boden für ein Klanghörwerk. Die Muster der zwei Theorben laufen mal gegeneinander, umspielen sich zart oder wachsen in rauschhafter Steigerung in die Höhe. Minimal music wurde offensichtlich auch schon im 17. Jahrhundert erfunden…. Verdienter, kräftiger Applaus für die Künstler.

 

 

 

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